LesArt.Preis 2019 – Simone Saftig

LesArt.Preis: Simone Saftig

LesArt.Preis 2019

Der LesArt.Preis für junge Literatur geht 2019 an Simone Saftig. Ihr „Raufaserblues” konnte sich gegen die anderen sehr starken Texte schließlich bei der Jury durchsetzen.

Der LesArt.Preis der jungen Literatur ist mit EUR 800,– dotiert, von der Sparkasse Dortmund gestiftet und wurde bei der LesArt.Gala mit Andrea Sawatzki am 16. November 2019 von Vorstandsmitglied der Sparkasse Dortmund Herrn Jörg Busatta im Domicil Dortmund überreicht.


Laudatio: Raufaserblues

Die Jury hatte es dieses Mal nicht leicht. Bei erster Bestandsaufnahme lagen von den acht Jurymitgliedern acht verschiedene Favoriten auf dem Tisch. Das lässt zwar auf eine gleichwertige Qualität der Einsendungen schließen, machte aber die Entscheidung, welchem Text der Preis zuzuerkennen ist, zur Qual der Wahl.
Nach mehreren weiteren Durchgängen zeichnete sich aber doch ein klares Votum ab. Der Gewinnertext ist „Raufaserblues“, eine Geschichte, die nicht nur wegen ihrer überraschenden Wendung am Schluss gelobt wurde.
Besonders hervorzuheben ist das geschickte Spiel der Autorin mit der Erwartungshaltung der Leserin, des Lesers. Schon der erste Satz der Geschichte verweist auf etwas, das bisher nicht geschehen ist und auch in dieser Geschichte nicht eintreten wird: ein Liebeserlebnis. Die Tristheit des Titels „Raufaserblues“ verstärkt diesen Eindruck noch.
Dann wird eine Strumpfhose angezogen, über Laufmaschen meditiert und die Leserin, der Leser begleitet die Ich-Erzählerin bei den Vorbereitungen zur Teilnahme an einer Party. Schon hier setzt die Autorin Zeichen für ihr Vexierspiel, indem sie auf die Kontextabhängigkeit der Bedeutung von Wörtern und Sachverhalten anhand des Wortes Zehe verweist, das je nach Wortumfeld eine Fußzehe oder eine Knoblauchzehe meinen kann.
Man folgt der Erzählerin auf ihrem Weg zur Party, die – wie erwartet – auch wieder nur ein Schlag ins Wasser zu sein scheint. Ein Mädchen macht die Erzählerin auf die Laufmasche in der Strumpfhose aufmerksam und der Leser beginnt, sich über deren Kommentar zu wundern. Sie unterstellt dem Mädchen Stolz, mit ihr gesprochen zu haben, aber auch Erleichterung darüber, dass das Gespräch durch einen anderen Partygast unterbrochen wird. Aber wieso?
Die Beobachtung des öden Partygeplappers und der Verzehrgewohnheiten der Gäste wird durch eine angenehme Männerstimme nahe am Ohr der Erzählerin unterbrochen. Und im folgenden Gespräch erlebt der Leser, die Leserin eine Überraschung und vielleicht den Anfang einer zarten Liebesgeschichte.
er harte Bruch in der Wahrnehmung des gegebenen Sachverhalts, der den Leser kurz vor Schluss der Geschichte ereilt, zeigt ihm, wie er selbst tradierte Rollenverhalten verinnerlicht hat.
All dies ist gekonnt in Szene gesetzt, hat Witz und Alltagsanarchie ebenso wie einen scharfen Blick auf die Materialität von Wörtern und Dingen.
Ralf Thenior für die LesArt.Jury